Bar jeder Sicht
Hintere Bleiche 29
55126 Mainz
Unter dem Motto „Wir geben der LSBT*I-Community ein Zuhause, ein Gesicht und eine Stimme“ arbeitet die Bar jeder Sicht daran die queere Community Mainz sichtbar zu machen. Einen sicheren Raum zu schaffen, indem queere Themen offen besprochen werden können, ist das Ziel der ehrenamtlichen Betreiber*innen.
Erste Eindrücke
Ich befinde mich zum ersten Mal auf dem Weg zur Bar. Ich gehe die Straße entlang und bemerke, dass ich fast an ihr vorbeigelaufen wäre. Sie liegt fast unscheinbar zwischen zwei anderen Geschäften im Mainzer Bleichenviertel. Aber das warme Licht, das an diesem halbdunklen Abend durch das große Fenster scheint, wirkt einladend. Das große Schild über der Eingangstür macht darauf aufmerksam, dass sich hier etwas ausgesprochen Wertvolles befindet. Zwei Stufen hinauf und durch die Tür finden sich charmante und warme Räumlichkeiten. Links vom Eingang erstrecken sich Schränke entlang der Wand, in denen sich Brett- und Gemeinschaftsspielen befinden, die man während seines Besuches nutzen kann, sowie eine frei zugängliche Bibliothek. Diese verfügt hauptsächlich über Titel mit LSBT*I-Inhalten aus wissenschaftlichen, politischen oder belletristischen Genres. Die Ausleihe von Titeln ist einfach. Bei Interesse an einem Buch, kann dieses unter Absprache mit dem Personal kostenlos ausgeliehen werden.
Gegenüber der Regale befinden sich einige Sitzmöglichkeiten für größere und kleinere Gruppen. Als ich weiter hineingehe, bemerke ich, dass die Bar größer ist als ich gedacht habe. Von der Eingangstür gehe ich auf die Bar zu, rechts eine Garderobe und links vorbei noch mehr Sitzgelegenheiten. Von Barstühlen über eine bequeme Sitzecke zu einfachen Tischen mit Stühlen, in der Bar jeder Sicht findet jeder eine passende Sitzgelegenheit je nach individuellem Bedarf und ganz zum Wohlfühlen.
Der erste Eindruck erweckt unmittelbar ein Gefühl von Gemütlichkeit und ich bemerke schnell, dass die Bar jeder Sicht mehr als nur eine Bar und Bistro ist. So bezeichnet sich die Bar selbst als ein queeres Kultur- und Kommunikationszentrum. Es wird nicht nur ein diverses Veranstaltungsprogramm geboten, sondern sie dient auch als Versammlungsort diverser Gruppen und Vereine und als Beratungsstelle für die Themen sexuelle und geschlechtliche Identität sowie Coming-Out.
Dabei wird die Bar jeder Sicht und ihr komplettes Angebot durch ehrenamtliche Arbeit und öffentliche Fördergelder betrieben. Das Ziel ihres Träger- und Fördervereins Sichtbar Mainz e.V. ist der „Betrieb und die Unterhaltung des Kultur- und Kommunikationszentrums für Lesben, Schwule, Bisexuelle, Trans*, Intersexuelle und Queere in Mainz“. Ihre Handlungsfelder der Kultur, Gastro, Beratung und Politik- und Lobbyarbeit sind durch Wertschätzung, Gleichberechtigung, Vorurteilsbewusstsein und Solidarität in ihrem Denken und Handeln gekennzeichnet. Zu den Kernaufgaben des Vereins zählen Bildung, Diskriminierungsabbau, Empowerment, Bereitstellung eines Hilfesystems, politische Partizipation sowie die Sichtbarkeit der queeren Community zu stärken. Die Bar jeder Sicht bietet dabei Raum, Freiraum Raum für Gruppen um miteinander in Kontakt zu treten und zu arbeiten. Ehrenamtliche Helfer*innen, die sich im Verein oder in der Bar engagieren wollen, sind dabei immer willkommen.
Die Bar jeder Sicht als Treffpunkt der Rainbow Refugees
Das Projekt Rainbow Refugees wurde 2015/16 gegründet, um queeren Menschen mit Fluchterfahrungen zu helfen, sich in Deutschland zurecht zu finden, sowie diese bei ihrem Asyl- oder Einwanderungsverfahren zu unterstützen. Die Frage, nach einem Veranstaltungsort stand laut dem Vorsitzenden Tobias Trapp nicht lange im Raum. Der Stammtisch der Rainbow Refugees soll nämlich nicht nur den Austausch untereinander fördern, sondern auch einen Anknüpfungspunkt schaffen. Dabei war es laut Herrn Trapp wichtig, dass
„sowohl queere Geflüchtete Kontakt haben zur allgemeinen, queeren Community, dass sie Menschen kennenlernen, Freundschaften schließen können, aber auch sichtbar sind und auch selber sich äußern können, wenn sie sich äußern wollen“.
Diese Anforderungen seien schon immer ein Teil des Anspruches der Rainbow Refugees gewesen und die Bar jeder Sicht als klares Kommunikations- und Kulturzentrum bietet diesen einzigartigen Raum. Dass die Bar jeder Sicht nicht nur „weißes Mittelstandspublikum“ anspricht, sondern auch für People of Colour und Migrant*innen Angebote schafft, ist Herrn Trapp besonders wichtig. Außerdem werden die Räume der Bar genutzt, um die queeren Menschen mit Fluchterfahrungen zu beraten.
Es ist Abend und wir sind auf dem Weg zum Stammtisch der Rainbow Refugees. Nachdem wir die Bar betreten haben, laufen wir an den Tischen im Vorderraum, der Bar und der gemütlichen Sitzecke vorbei, in den hinteren Teil des Lokals. An einem langen Tisch sitzt zunächst nur Herr Tobias Trapp, mit dem wir hauptsächlich in Kontakt standen und der uns zum Stammtisch der Rainbow Refugees eingeladen hatte. Schnell kommen jedoch Mitglieder dazu. Manche bringen Gäste mit. Die Stimmung ist locker und warm und auch wir werden schnell in Gespräche integriert. Schnell wird deutlich, dass die Bar nicht nur Treffpunkt des Stammtisches ist, sondern auch ein Platz, den man in der Freizeit aufsucht.
In unseren Gesprächen mit unseren Interviewpartner*innen wird schnell deutlich, dass die Bar jeder Sicht weit mehr als nur ein physischer Ort ist. Aras, der zusammen mit seinem Partner Kerem aus der Türkei geflohen ist, beschriebt die Bar als „So the place is so warm and everybody greeting warm and everybody are so kind to us.“. Für Saira, die auch wegen religiösen Gründen aus Pakistan fliehen musste, war die Bar jeder Sicht eine der ersten Anlaufstellen in Mainz und bedeutet ihr viel:
„This place is because of us. And we belong to this place because in Mainz sometimes we are afraid to express ourselves, because of […]. Normally in Mainz, there is no racism. I have never faced any racism in Mainz. But still, because the countries we have come from, we have faced a lot of racism that we have fear in our hearts. So that's why, we were afraid in the streets and outside. But this place has given us a shelter, a place where we can express ourselves freely and a place where we can be who we really are.”
Die Bar jeder Sicht ist ein Ort von immensem persönlichem Wert, der für unsere Gesprächspartner*innen verschiedene Bedeutungen und Funktionen in ihrem Leben erfüllt. Für die meisten von ihnen ist die Bar jeder Sicht der erste Anlaufpunkt gewesen, als sie in Mainz ankamen. Aras erzählt, dass „Then we went there one night, he [= ein Freund] saw us and he came to us and said: ‘Today there is a meeting with Rainbow Refugees Club. So, you should also come.’ And we said yes.”
Die meisten unserer Gesprächspartner*innen haben von der Bar jeder Sicht über Freunde erfahren oder von offiziellen Stellen (bspw. Diakonie), welche sie oft auch an die Rainbow Refugees weitergeleitet haben. In einer Zeit der Unsicherheit und des Wandels bot die Bar ihnen also einen sicheren Hafen, einen Ort, an dem sie willkommen geheißen wurden und sich sofort wohl fühlten. Es geht jedoch weit über das Gefühl des Ankommens hinaus. Es ist ein Ort der Hilfe und Unterstützung, an dem nicht nur die Helfer*innen der Rainbow Refugees ihnen beratend zur Seite stehen, sondern sie auch in den Austausch mit anderen queeren Menschen treten können. Ihre neuen Lebensumstände zu bewältigen ist für unsere Gesprächspartner*innen nicht immer einfach, aber in der Gemeinschaft, die in der Bar jeder Sicht entsteht, lässt sich Hilfe finden. So ist die Bar jeder Sicht auch zu einer Art Zuhause geworden, einem Ort, an dem sie sich sicher und angekommen fühlen können.
Es ist jedoch wichtig zu betonen, dass das Lokal nicht nur ein Ort des Engagements ist, sondern auch ein Ort der Entspannung und des Vergnügens. Neben den regelmäßigen Stammtischen wird die Bar auch in der Freizeit aufgesucht. Hier kommen die Menschen zusammen, um zu lachen, zu tanzen und einfach eine gute Zeit miteinander zu verbringen. Es ist ein Ort, an dem Freundschaften geschlossen und Erinnerungen geschaffen werden können. Eine Erfahrung, die ich nur teilen kann. Jeder in unserer Gruppe war warm und herzlich und auch das Personal sehr freundlich und hilfsbereit. Es ist bereits der dritte Abend, an der ich die Bar besuche, um erneut einen Stammtisch zu besuchen. Eine größere Gruppe an Menschen aus Pakistan ist für den Stammtisch da. Das Personal spielt für diese Musik extra aus Pakistan.
Durch die Interaktion mit anderen Gruppenmitgliedern und dem Personal wird das Erlernen der deutschen Sprache gefördert. Oft wird am Tisch untereinander Deutsch gesprochen, auch wenn es manchmal ein wenig holprig ist. Die meisten erwähnen, wie schwierig es ist Deutsch zu lernen und dass viele Deutsche auf Englisch wechseln, wenn sie merken, dass die gegenüber befindende Person die Sprache nicht fließend spricht. Das Personal in der Bar jeder Sicht ist laut Kerem und Aras sehr geduldig und lässt sie ihnen die Zeit in Deutsch zu bestellen. Deutsch lernen und zu sprechen ist eine der größten Herausforderungen, wenn man nach Deutschland kommt. Mit mehr Muttersprachler*innen in Kontakt zu treten, ist für Kerem der beste Weg die Sprachkenntnisse zu verbessern. Die Möglichkeiten dafür sind aber leider begrenzt. Aras erklärt, dass sie unter anderem deshalb angefangen haben sich in der Bar jeder Sich ehrenamtlich zu engagieren:
“We asked him [= Tobias Trapp], how can we improve our German skills. And he said that we can work here. There are a lot of people here. I will do this job as a volunteer. And there are a lot of cards on the tables. It says that we work as a volunteer. So, everyone will know who you are, what you do for work, how you work here. So, for example in other places, people can say “Ah, you can’t speak German. You should not work here”. But here, I didn't have an experience like that. Everyone is so welcoming. That's the story. So, I started here.”
Durch meine Besuche während des Forschungsprojektes und vor allem im Gespräch mit unseren Interviewpartner*innen habe ich einige über die Bar jeder Sicht gelernt. Insgesamt ist die Bar jeder Sicht für unsere Interviewpartner*innen ein Lokal von unschätzbarem Wert. Es ist nicht nur ein Ort zum Verweilen, sondern ein Platz, der ihnen hilft, sich in Mainz und Deutschland zurechtzufinden und ein aktiver Teil der Gemeinschaft zu werden. Es ist ein Ort der Unterstützung, des Engagements, der Freude und des Lernens – ein Ort, den sie nicht missen möchten und der einen festen Platz in ihren Herzen hat. Ich hatte die große Freude die Bar durch meine eigenen Wahrnehmungen und die Erzählungen von Aras, Kerem, Saira und Jawad zu entdecken. Und ich hoffe, dass die Bar jeder Sicht weiterhin ein lebendiger und dynamischer Ort bleibt, an dem sich jeder wohlfühlen kann.
Was ich noch aus den Gesprächen mitgenommen habe
Obwohl es in unseren Interviews hauptsächlich um die Wahrnehmung von Mainz durch queere Menschen mit Fluchterfahrungen ging und welche Orte hier eine besondere Rolle für sie spielen, sind mir dennoch zwei Thematiken aufgefallen, die ich gerne hier kurz behandeln möchte. Denn ich finde es wichtig nicht nur die Neuentdeckung eines Ortes darzustellen, sondern auch die Anliegen und Gefühle unserer Gesprächspartner*innen, die im Gespräch um diese aufkommen sind. Zwar lag der Fokus unserer Gespräche auf den Orten und Plätzen in Mainz, die für unsere Gesprächspartner*innen besonders sind, dennoch wurde ab und zu das Thema Arbeit erwähnt. Wie im vorangegangenen Abschnitt zur Bar jeder Sicht bereits erwähnt, arbeiten Kerem und Aras in der Bar jeder Sicht, hauptsächlich aber auf ehrenamtlicher Basis. Aras erklärt, wie es dazu gekommen ist:
„[…] because Caritas staff said that it's forbidden to work anywhere, and we wanted to improve our German skills. That's why we didn't work earlier. […] we asked the Sozialamt and they said that it's, you can work there [=Bar jeder Sicht]. And we talked to Christian [=Mitarbeiter Bar jeder Sicht] he said, yes, of course.”
Neben dem Bedürfnis ihr Deutsch zu verbessern, war es für Kerem und Aras auch wichtig zu arbeiten. In der Türkei haben Aras und Kerem beide studiert und dann einige Jahre in ihren jeweiligen Berufen gearbeitet. Als Person, die sich gerade in ihrem Asyl- oder Einwanderungsverfahren befindet, in Deutschland wieder zu arbeiten, ist nicht immer einfach, wie auch Saira beschreibt:
“Right now I have applied for the Arbeitserlaubnis. But I have not yet got it. Because there are some requirements. I don't know why. Like, there are some complications and so far, like, unfortunately, I'm getting social help and maybe because I'm trying to do any Ausbildung. So that's why hopefully soon I'll get one.”
All unseren Gesprächspartner*innen ist es wichtig arbeiten zu dürfen. Sie erzählen uns, welche Berufe sie in ihren Heimatländern ausgeübt haben und wie schwierig es ist diese in Deutschland wieder auszuüben – beziehungsweise generell arbeiten gehen zu dürfen. In Pakistan waren Saira und Jawad Lehrer, einem der vielen Berufe, wo es in Deutschland an Personal mangelt. Jawad erzählt von seinen Erfahrungen beim Arbeitsamt, den Empfehlungen seiner Sachbearbeiterin und seinen weiteren Plänen:
“So my plan for the moment: Concentrating on my language skills. Deutsch, too hard. But I'm trying to do my best […]. And I was also a teacher, an English and biology teacher in Pakistan. And according to my social worker in the job center, she told me that I recommended you according to your certificates from Pakistan. You can join a medical field […] So let's see, for the moment she suggests me that. But I share with that I have a plan to join a special education because for three years I have had experience with special education. So disabled children. So she said it takes like 5 or 6 years. So it's a Ausbildung for the special education five years, so it takes time. And if you want a teacher, and of course it will take also to 5 or 6 years. So if you can […] follow my suggestion according to your documents. So within the three years, four years you are professional staff. So you are a professional working in a hospital. And it's up to you to choose any kind of field in the hospital. […].”
Unsere Gesprächspartner*innen sind sich einig. Um richtig Fuß zu fassen, um selbstständig zu sein, wollen sie nicht nur Deutsch sprechen, sondern vor allem arbeiten. Die Unterstützung der ehrenamtlichen Helfer*innen der Rainbow Refugees, anderer Menschen mit Fluchterfahrungen, die den Prozess schon durchlaufen haben, oder den Menschen beim Arbeitsamt, ist dabei viel Wert. Auch wenn die Umsetzung nicht immer einfach ist und das deutsche System rund um die Arbeitserlaubnis oft Hürden in den Weg stellt, bleibt Saira optimistisch: „Because in Germany, like, this is very good thing that no matter how old you are, you can start your career from the beginning. So that's why I have hopes. And I'll try to be selbstständig.” Trotz der vielen Schwierigkeiten bei der Arbeitserlaubnis oder der Wahrscheinlichkeit nicht in ihren ehemaligen Berufen arbeiten zu können, wurde in unseren Gesprächen deutlich, wie wichtig der eventuelle Berufseinstieg für unsere Gesprächspartner*innen ist.
Neben der Thematik der Arbeit ist mir bei der Reflexion unserer Gespräche besonders aufgefallen, wie komplex und oft ambivalent die Bedeutung von „Heimat“ ausgehandelt wurde. So definiert der Duden den Begriff wie folgt: Land, Landesteil oder Ort, in dem man [geboren und] aufgewachsen ist oder sich durch ständigen Aufenthalt zu Hause fühlt (oft als gefühlsbetonter Ausdruck enger Verbundenheit gegenüber einer bestimmten Gegend). Ihre Heimat zu verlassen und in Deutschland eine neue zu finden, birgt eine vielschichtige Palette von Emotionen und Erfahrungen, die wir nicht im Detail besprochen habe. Das, was aber angeklungen ist, zeigt wie positiv, aber auch negativ der Begriff besetzt sein kann.
Einerseits vermeiden viele unserer Gesprächspartner*innen das Thema Heimat. Das mag daran liegen, dass unsere Fragen kaum auf ihre Erfahrungen dort ausgelegt sind. Dennoch ist es nicht verwunderlich, dass so ein sensibles Thema, das mit verschiedenen Herausforderungen verbunden ist, nicht aktiv von ihnen angesprochen wird. Auf der anderen Seite jedoch ziehen viele unserer Gesprächspartner*innen Parallelen zwischen ihrer aktuellen Situation und ihrem Heimatland. Trotz der Herausforderungen, denen sie hier gegenüberstehen, empfinden sie auch ein starkes Gefühl der Verbundenheit zu gewissen Orten oder Personen in ihrem Heimatland. Als wir nachfragen, was ihnen in Mainz fehlt, erzählt Saira:
„I miss my family because they are in Pakistan. My parents, especially because they are very old. I have… I had to leave them in this old age. Normally in Pakistan, we don't have like old age or, uh, old houses where they can be well-treated. They can be well cared. But… because we have our parents and I had to leave them with my sister, but thankfully, she is, like, taking better care of them. But still, I miss my part that I could play. So, that’s the only thing that I miss.“
Es entsteht ein interessantes Spannungsfeld zwischen dem Vermissen, besonders von Familie oder Freunde, zu dem Bedürfnis sich sicher zu fühlen. Deutschland bietet ihnen das. Viele unserer Gesprächspartner*innen haben dabei nicht nur Personen, die ihnen hier in Deutschland Halt geben, sondern haben auch Orte gefunden, die sich wie zuhause anfühlen. Sei es ein bestimmtes Café, ein Park oder ein Stadtviertel – diese Orte haben eine besondere Bedeutung für sie und bieten einen Raum der Geborgenheit und des Wohlbefindens. Es ist an diesen Orten, dass sie sich akzeptiert und verstanden fühlen, was dazu führt, dass sie gerne Zeit dort verbringen. Besonders die Bar jeder Sicht sticht dabei heraus, wie Aras beschreibt: „So firstly, it's a queer place. So I don't have any Fear, I am not afraid. That is the important point. And as I said, people are so welcoming. So kind. Especially for us. So that's why I like it.”
Zum Abschluss (und zur Entdeckung neuer Orte)
Im Feld lernt man immer etwas Neues. Das hat mir mein Studium auch in diesem Forschungsprojekt wieder gezeigt. Mit unterschiedlichen Menschen über ihre Erfahrungen und Erlebnisse zu sprechen ist eine der Besonderheiten des Faches Kulturanthropologie. Obwohl ich mich im Zuge dieses Projektes intensiv mit der Bar jeder Sicht als bedeutsamen Ort beschäftigt habe, durfte ich einige anderen Orte mitentdecken. Unsere Gesprächspartner*innen haben unterschiedliche Orte thematisiert. Von Cafés, zu Naturorten, wie Parks oder dem Rhein über Kirchen, kaum haben sich Orte gedoppelt. Viel mehr wurde deutlich wie einzigartig die Wahrnehmung einer Stadt sich gestalten kann und wie verschiedene Menschen dort ihre Zeit verbringen. Selbst wenn sich Orte gedoppelt haben, wurde diese mit diversen Bedeutungen in Verbindungen gesetzt.
Im Zuge dieses Projektes neue Orte in Mainz zu entdecken und wie diese durch die Erzählungen unserer Gesprächspartner*innen lebendig wurden, war für mich eine bedeutende Erfahrung. Deshalb möchte ich meine Ausführungen, die mit der Bar jeder Sicht begonnen haben, damit beenden, dass der Austausch mit unterschiedlichen Menschen zu einzigartigen und bereichernden Erfahrungen führt. Und ich hoffe, dass auch du nicht nur auf unserer Website einige Schätze in Mainz entdeckt hast, sondern in Zukunft weitere ausfindig machen wirst.
Geschrieben von Thea Horstick
English Version
Under the motto “We give the LGBTQI* community a home, a face, and a voice,” Bar jeder Sicht works to make the queer community in Mainz visible. The goal of the volunteers is to create a safe space where queer topics can be openly discussed.
First Impressions
Walking down the street, I almost missed it. The bar is nestled inconspicuously between two other shops in Mainz’s Bleichenviertel. However, the warm light shining through the large window on this semi-dark evening feels inviting. The large sign above the entrance door indicates that something particularly valuable is housed here. Climbing two steps and through the door, I find charming and cozy spaces. To the left of the entrance, cabinets line the wall, containing board games and community games that visitors can use during their visit, as well as an open-access library. The library mainly features titles with LGBTQI* content from academic, political, or fictional genres. Borrowing titles is easy. If one is interested in a book, it can be borrowed free of charge after consultation with the staff.
Opposite the shelves are seating options for larger and smaller groups. As I go further, I notice that the bar is larger than I had imagined. Walking from the entrance door towards the bar, there is a cloakroom on the right and more seating options on the left. From bar stools to a comfortable lounge area to simple tables with chairs, everyone should be able to find a comfortable seating option at Bar jeder Sicht according to their individual needs.
Their work in culture, gastronomy, counseling, and political lobbying is guided by the values such as mutual appreciation, equality, prejudice awareness, and solidarity. The association’s main tasks include education, discrimination reduction, empowerment, provision of a support system, political participation, and strengthening the visibility of the queer community. Bar jeder Sicht aims to provide space, freedom, and opportunities for groups to connect and collaborate. Volunteers who want to get involved in the association or the bar are welcome.
“Bar jeder Sicht” as a meeting point for Rainbow Refugees
The Rainbow Refugees project was founded in 2015/16 to assist queer individuals who had refugee experiences in navigating life in Germany and to support them in their asylum or immigration procedures. According to the chairman, Tobias Trapp, the question of a venue resolved itself quickly. The Rainbow Refugees’ regular table is intended to foster exchange among the members and to create a starting point for the newcomers. According to Mr. Trapp, it was important:
“that queer refugees have contact with the general queer community, that they can meet people, make friends, but also be visible and express themselves if they want to.”
These requirements have always been part of the Rainbow Refugees’ aspirations. Bar jeder Sicht, as a center for communication and cultural events, offers them a unique space. Mr. Trapp emphasizes the importance of Bar jeder Sicht as a place that does not only appeal to “white middle-class audiences” but also creates opportunities for people of color and migrants. Additionally, the bar is used as a location to provide advice to queer individuals with refugee experiences.
One evening, we are on our way to the regulars’ table of the Rainbow Refugees. After entering the bar, we walk past the tables in the front room, the bar itself, and the cozy seating area, into the back of the establishment. Initially, only Mr. Tobias Trapp is sitting at a long table. He is the person with whom we had mainly been in contact and who had invited us to the Rainbow Refugees’ regular table. Other members soon join in. Some bring guests. The atmosphere is relaxed and warm. We are quickly integrated into conversations.
In our conversations with our interviewees, it quickly becomes apparent that Bar jeder Sicht is much more than just a physical place. Aras, who fled from Turkey with his partner Kerem, described the bar in the following way: “The place is so warm and everybody greeting warm and everybody are so kind to us.” For Saira, who also had to flee from Pakistan for religious reasons, Bar jeder Sicht was one of the first places she turned to in Mainz and it means a lot to her:
“This place is because of us. And we belong to this place because in Mainz sometimes we are afraid to express ourselves, because of […]. Normally in Mainz, there is no racism. I have never faced any racism in Mainz. But still, because the countries we have come from, we have faced a lot of racism that we have fear in our hearts. So that’s why, we were afraid in the streets and outside. But this place has given us a shelter, a place where we can express our-selves freely and a place where we can be who we really are.”
Bar jeder Sicht is a place of personal value that has various meanings and functions in the lives of our interviewees. For many of them, Bar jeder Sicht was their first point of contact when they arrived in Mainz. Aras recounts, “Then we went there one night, he [= a friend] saw us and he came to us and said: ‘Today there is a meeting with Rainbow Refugees Club. So, you should also come.’ And we said yes.”
Many of our interviewees learned about Bar jeder Sicht through friends or formal channels (such as Diakonie), who often also referred them to the Rainbow Refugees. In a time of uncertainty and change, the bar offered them a safe haven, a place where they were welcomed and where they could immediately be comforted. However, the bar is more than an arrival meeting point. It is a place of help and support, where the volunteers of the Rainbow Refugees provide advice and where one can engage with other queer people. Coping with their new life circumstances is not always easy for our interviewees, but in the community that emerges at Bar jeder Sicht, it looks like they can find assistance. Thus, Bar jeder Sicht has also become a kind of home, a place where they can feel safe and settled.
The venue is only a place of engagement as well as a place of relaxation and enjoyment. In addition to regular table, the bar is also visited during leisure time. Here, people come together to laugh, dance, and simply have a good time with each other. It is a place where friendships are formed and memories are created. That is an experience I also share. Everyone in our group was warm and welcoming, and the staff were also very friendly and helpful. It is already the third evening that I have visited the bar to attend another regular table. A larger group of people from Pakistan is here. The staff is playing music from Pakistan specifically for them.
Learning the German language is encouraged through interaction with other group members and the staff. Often, German is spoken at the table, even if it is sometimes a bit rough. Most mention how difficult it is to learn German and that many Germans switch to English when they realize that the person they are speaking to does not speak the language fluently. According to Kerem and Aras, the staff at Bar jeder Sicht are very patient and allow them the time to order in German. Learning and speaking German is one of the biggest challenges when coming to Germany. For Kerem, interacting with more native speakers is the best way to improve language skills. However, the opportunities for this are unfortunately limited. Aras explains that one of the reasons they started volunteering at Bar jeder Sicht is because of this.
“We asked him [= Tobias Trapp], how can we improve our German skills. And he said that we can work here. There are a lot of people here. I will do this job as a volunteer. And there are a lot of cards on the tables. It says that we work as a volunteer. So, everyone will know who you are, what you do for work, how you work here. So, for example in other places, people can say ‘Ah, you can’t speak German. You should not work here’. But here, I didn't have an experience like that. Everyone is so welcoming. That’s the story. So, I started here.”
Through my visits during the research project and, above all, in conversation with our interviewees, I have learned a lot about Bar jeder Sicht. Overall, Bar jeder Sicht is of great importance to our interviewees. It is not just a place to linger, but a space that helps them navigate Mainz and Germany and become an active part of the community. It is a place of support, engagement, joy, and learning – a place they would not want to miss and that holds a firm place in their hearts. I had the great pleasure of discovering the bar through my visit and the stories of Aras, Kerem, Saira, and Jawad. I hope that Bar jeder Sicht continues to be a lively and dynamic place where everyone can feel comfortable.
What I have also taken away from the conversations
The focus of our interviews was the perception of Mainz by queer people with refugee experiences. I noticed two more themes that I would like to briefly address here. I think it is important to present places in a new light, as well as other concerns of our interviewees about their everyday life. They frequently emphasized work as a relevant topic. As mentioned above, Kerem and Aras work at Bar jeder Sicht, mainly on a voluntary basis. Aras explains how this came about:
“[…] because Caritas staff said that it's forbidden to work anywhere, and we wanted to improve our German skills. That’s why we didn’t work earlier. […] we asked the Sozialamt and they said that it’s, you can work there [=Bar jeder Sicht]. And we talked to Christian [=Mitarbeiter Bar jeder Sicht] he said, yes, of course.”
In addition to the need to improve their German, it was also important for Kerem and Aras to work. In Turkey, both Aras and Kerem studied and then worked for several years in their respective fields. For someone who is currently in their asylum or immigration process, finding work in Germany is not always easy, as Saira also describes:
“Right now I have applied for the Arbeitserlaubnis. But I have not yet got it. Because there are some requirements. I don’t know why. Like, there are some complications and so far, like, unfortunately, I'm getting social help and maybe because I’m trying to do any Ausbildung. So that’s why hopefully soon I'll get one.”
All of our interviewees emphasized the importance of being allowed to work. They tell us about the professions they practiced in their home countries and how difficult it is to find work in the same field again in Germany – or to find work in general. In Pakistan, Saira and Jawad were teachers. This is one of the many professions where there is a shortage of staff in Germany. Jawad talks about his experiences at the employment office, the recommendations of his case worker, and his future plans:
“So my plan for the moment: Concentrating on my language skills. Deutsch, too hard. But I’m trying to do my best […]. And I was also a teacher, an English and biology teacher in Pakistan. And according to my social worker in the job center, she told me that I recommended you according to your certificates from Pakistan. You can join a medical field […] So let’s see, for the moment she suggests me that. But I share with that I have a plan to join a special education because for three years I have had experience with special education. So disabled children. So she said it takes like 5 or 6 years. So it’s an Ausbildung for the special education five years, so it takes time. And if you want a teacher, and of course it will take also 5 or 6 years. So if you can […] follow my suggestion according to your documents. So within the three years, four years you are professional staff. So you are a professional working in a hospital. And it’s up to you to choose any kind of field in the hospital. […].”
Our interviewees agree. In order to establish themselves properly, to be self-sufficient, they want to speak German and, above all, they want to work. The support they get from the volunteers of the Rainbow Refugees, other individuals with refugee experiences who have already gone through the process, or the people at the employment office, is invaluable. Even though the process is not always easy and the German system of issuing work permits often presents hurdles, Saira remains optimistic: “Because in Germany, like, this is very good thing that no matter how old you are, you can start your career from the beginning. So that’s why I have hopes. And I’ll try to be independent.” Despite the many difficulties with work permits or the likelihood of not being able to work in their former professions, it became clear in our conversations how important the potential entry into the workforce is for our interviewees.
In addition to the theme of work, upon reflecting on our conversations, I noticed that “home” (Heimat) acquired complex and ambivalent meanings for our interlocutors. The Duden dictionary defines “home” as follows: “Country, region, or place where one [was born and] grew up or feels at home through constant residence (often as an emotionally charged expression of close attachment to a particular area).” Leaving their homeland and finding a new one in Germany entails a multifaceted range of emotions and experiences that we did not discuss in detail. However, what emerged shows how positively, but also negatively, the term can be loaded. On the one hand, many of our interviewees avoided the topic of home. This may be because our questions were hardly designed to focus on their experiences there. Nevertheless, it is not surprising that such a sensitive topic, associated with various challenges, is not actively addressed by them. On the other hand, many of our interviewees drew parallels between their current situation and their homeland. Despite the challenges they faced there, they also felt a strong sense of connection to certain places or people in their home country. When we ask what they miss in Mainz, Saira explains:
“I miss my family because they are in Pakistan. My parents, especially because they are very old. I have… I had to leave them in this old age. Normally in Pakistan, we don’t have like old age or, uh, old houses where they can be well-treated. They can be well-cared. But… because we have our parents and I had to leave them with my sister, but thankfully, she is, like, taking better care of them. But still, I miss my part that I could play. So, that’s the only thing that I miss.”
An interesting tension arises between missing family or friends and the need to feel safe. Germany provides that for them. Many of our interviewees have people who support them here in Germany, and they have also found places that feel like home. Whether it is a specific café, a park, or a neighborhood – these places hold special significance for them and provide a space of comfort and well-being. It is at these places that they feel accepted and understood, which leads them to enjoy spending time there. The Bar jeder Sicht stands out in particular, as Aras describes:
“So firstly, it’s a queer place. So I don't have any fear, I am not afraid. That is the important point. And as I said, people are so welcoming. So kind. Especially for us. So that’s why I like it.”
In conclusion (and a plea for the discovery of new places)
In the field, one always learns something new. That is something my studies have shown me once again in this research project. Speaking with different people about their experiences and encounters is one of the specialties of cultural anthropology. Although I have extensively explored Bar jeder Sicht as a significant place in the course of this project, I have also had the opportunity to discover several other places. Our interviewees have discussed various locations, from cafes to natural spots like parks or the Rhine River to churches. It became clear how unique the perception of a city can be and how differently people spend their time in it. Even when places have been known to me, they have been associated with diverse meanings.
Discovering new places in Mainz as part of this project and seeing them come to life through the stories of our interviewees was a significant experience for me. Therefore, I would like to conclude my remarks, which began with Bar jeder Sicht, by emphasizing that exchanging ideas with different people leads to unique and enriching experiences. I hope that, like me, you will discover some treasures of Mainz on our website and continue to find more in the future.
Written by Thea Horstick